K. Stadelmann u.a. (Hrsg.): Post für Hans Huber, Hafner in Huttwil (1920er bis 1940er Jahre)

Cover
Titel
«Sehr geehrter Herr! Schwer erstaunt über diese Zeilen …». Post für Hans Huber, Hafner in Huttwil (1920er bis 1940er Jahre)


Herausgeber
Stadelmann, Kurt; Museum für Kommunikation
Reihe
Schriftenreihe des Museums für Kommunikation
Erschienen
Zürich 2021: Chronos Verlag
Anzahl Seiten
140 S.
Preis
CHF 28.00
von
Anna Bähler

In einem Estrich in Huttwil stand jahrelang eine Truhe, die Fotografien sowie zahlreiche Briefe und Notizzettel enthielt, die der Hafnermeister Hans Huber (1907 – 1970) erhalten oder – zu einem kleineren Teil – selbst geschrieben hatte. Seine Schwiegertochter Erika Huber entschied sich 2011, nach dem Tod ihres Mannes, das Material nicht wegzuwerfen, sondern dessen Inhalt zu sichten, zu entziffern und zu datieren. Der Nachlass befindet sich heute im Museum für Kommunikation; die Dokumente wurden letztes Jahr in einem 140-seitigen Buch veröffentlicht.

Die Publikation ermöglicht den Einblick in die kleine Lebenswelt eines Mannes, der als Jüngling eine Elektrikerlehre in Utzensdorf begann. Damals war er zum ersten Mal in der Fremde, wurde aber dank der Briefe der Eltern, Geschwister und Freunde über die Ereignisse in der Heimat auf dem Laufenden gehalten. Nach kurzer Zeit musste er die Lehre abbrechen, weil er an Tuberkulose erkrankt war. Es folgte ein langer Krankheits- und Genesungsprozess, zuerst im Spital in Huttwil, anschliessend im Volkssanatorium in Heiligenschwendi, das auf Tuberkulosekranke spezialisiert war. Auch hier erhielt er zahlreiche Briefe von Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden, die sich liebevoll um ihn kümmerten. Der Nachlass enthält aus diesem Zeitraum (Januar 1923 bis Juli 1924) nur an Hans Huber adressierte Briefe, insgesamt neunzig Stück. Seine Antworten hingegen sind nicht erhalten geblieben.

Das Buch enthält noch eine weitere, andersartige Korrespondenz, die rund zwanzig Briefe aus der Zeit von Oktober 1942 bis April 1943 umfasst. «Schwer erstaunt über diese Zeilen, habe ich mich doch entschlossen diesem Stell / Dichein zu folgen», schrieb Berty Zehnder, Gehilfin in der Apotheke Huttwil, am 22. Oktober 1942 an Hans Huber, der unterdessen im elterlichen Hafnergeschäft arbeitete. Sie antwortete damit auf einen Brief von Hans, der sie ohne konkrete Begründung zu einem Treffen am folgenden Samstag- oder Sonntagabend aufgefordert hatte. Sie nahm die Einladung an, worauf sich sehr schnell eine innige Beziehung zwischen den beiden entwickelte: Anfang November wechselte Hans vom formellen Sie aufs Du; Berty ihrerseits bedankte sich am 5. November für ein Geschenk, wofür sie «Dich ganz fest an mich gedrückt und Dir einen lieben Mutsch dafür gegeben hätte, gell!!!» In den folgenden Briefen dürfen die Lesenden mitverfolgen, wie die ersten Gedanken an eine Ehe und gemeinsame Kinder keimen, die Eltern und andere Familienmitglieder über die Beziehung informiert und anschliessend besucht werden. Mitte Dezember bestellt sich das Paar die Ringe, und erste kleine Unstimmigkeiten müssen überwunden werden. Am 22. Mai, knapp sieben Monate nach dem ersten Stelldichein, fand die kirchliche Trauung statt.

Die Briefe und die Notizzettel, welche die Mutter den Wäschesendungen beilegte, sind unterschiedlich interessant zu lesen, recht oft wiederholen sie sich inhaltlich. Ausserdem sind sie wegen der vielen Schreibenden – sie sind am Schluss des Buches alphabetisch und mit ihrer Funktion aufgezählt – nicht immer einfach einzuordnen. Den Briefen ist eine knapp dreiseitige Einführung vorangestellt, in der Kurt Stadelmann auf den historischen Wert solcher Dokumente eingeht. Im Anschluss an die Briefe finden sich der Nachruf auf Hans Huber und ein kurzer Text seines Vaters Gottlieb Huber, der darin auf seine Wanderjahre als Hafnerlehrling zurückblickt. Leider fehlen dem Buch eine historische Einordnung und erklärende Texte zu den Dokumenten. So erfahren wir beispielsweise kaum etwas über das Handwerk des Ofenbauers, obwohl Vater Gottlieb und sein Sohn Hans Hafnermeister waren. Zudem sind viele der abgedruckten Fotografien aus dem Nachlass undatiert. Wer allerdings in den Mikrokosmos einer mittelständischen Familie in einer Berner Kleinstadt eintauchen möchte, wird dieses Buch mit Vergnügen lesen.

Zitierweise:
Bähler, Anna: Rezension zu: Stadelmann, Kurt; Museum für Kommunikation (Hrsg.): «Sehr geehrter Herr! Schwer erstaunt über diese Zeilen …». Post für Hans Huber, Hafner in Huttwil (1920er bis 1940er Jahre), (Schriftenreihe des Museums für Kommunikation), Zürich: Chronos 2021. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 3, 2022, S. 59-60.

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Autor(en)
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 83 Nr. 3, 2022, S. 59-60.

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